Tuesday, January 25, 2011

Rohlinge für grössere Bonsai aus der Baumschule - German


Rohlinge für grössere Bonsai aus der Baumschule - von Walter Pall
geschrieben 2006
von Achim editiert am 11.01.2008

Jeder Bonsaifreund möchte einen tollen Ahorn. Den kann man kaufen. Aber die meisten wollen ihn am liebsten selber machen, aus Rohmaterial. Rohmaterial für japanische Ahorne gibt es in jeder vernünftigen Baumschule. Aber es gibt doch keines, aus dem man einen Weltklassebonsai machen kann. Es gibt doch nicht einmal Ahorne in Baumschulen, aus denen ein halbwegs begabter Bonsaifreund in wenigenJahren einen Baum der Europaklasse machen kann. Was man so bekommt ist doch nichts im Vergleich zu importierten Rohlingen, die schon viele Jahrzehnte als Bonsai vorbereitet wurden; aber auch einiges kosten.

STIMMT SO NICHT!

Mein Freund John Roehl aus Fresno, Kalifornien war total begeistert von meinem grossen Ahorn und wollte unbedingt auch so einen - selber machen. Und dann noch in seinem Alter!??
Na ja, mal sehen!
Denn gehen wir halt einen suchen.

Nördlich von Sacramento, Kalifornien liegt eine bekannte Baumschule in einem stillen Tal in den Vorbergen. Evergreen Gardenworks http://www.evergreengardenworks.com/
wird von Brent Walston geleitet, dem führenden Fachmann für Bonsaigärtnerei. Er hat da so an die zehntausend Bäume. Sie sind alle aus Samen oder Stecklingen gezogen. Die meisten grossen sind nicht für Bonsai gedacht, sondern für Landschaftsgärtnei.
John möche einen Bonsai, der so zwischen 60 und 80 cm gross ist.
Also sucht er mit seinem Freund Howard in der Abteilung, wo die Dinger stehn, die so etwa 50 bis 100 cm hoch sind. 





FALSCH!

Wer einen Bonsai will, der zwischen 50 und 80 cm hoch sein soll, der sucht bei Bäumen, die von 100 bis 250 cm hoch sind!
Der Laie meint, dass eine grosser Bonsai entsteht, indem man mit einem kleinen anfängt und ihn viele Jahre lang pflegt, bis er gross ist. Tatsächlich entsteht ein grosser Bonsai aus einem Baum, der viel grösser ist und kleiner gemacht wird. Viel kleiner als man so denkt!


Also in der Abteilung wo die Bäume höher als zwei Meter sind. Gut, aber wie auswählen?



Man sieht NUR auf den unteren Teil, der bis 50 cm über dem Boden ist! Alles darüber interessiert überhaupt nicht!
Man beurteilt die Stammverjüngung, die Stammbewegung. Wenn mehrere Stämme da sind, dann sollten sie irgendwie zusammenspielen.

Ideal wäre es jetzt, auch noch den Wurzelansatz zu sehen. Auf keinen Fall sollte der Baum eine Propfstelle aufwiesen. Dass kann nix werden, Nicht in hundert Jahren!
Also gräbt man mit den Fingern und ev. mit einem Werkzeug in das Oberflächensubstrat bis man eine Vorstellung von den Wurzeln hat.

In diesem Stadium kann man kaum kritisch genug sein. Jetzt nur ja nicht Zeit sparen. John hat mehr als vier Stunden herumgesucht bis er seinen Kandidaten gefunden hat. Vier Stunden!? Wozu der Aufwand?
Nun, wenn das in den nächsten Jahrzehnten ein Klassebaum werden soll,dann wird sich John in Zukunft so einige hundert Stunden damit beschäftigen müssen. Da ist es soch unheimlich wichtig, dass er mit dem allerbesten verfügbaren Material anfängt. Auch wenn es ein paar Stunden dauert, bis er es gefunden hat.

Zu viele Bonsailiebhaber beschäftigen sich zu lange mit durchschnittlichem Material, das sie in relativ kurzer Zeit gefunden haben, anstatt viel länger zu suchen und nur mit dem Besten vorlieb zu nehmen.
Aber was ist das Beste? Ein Anfänger hat es schwer,das zu beurteiln. Noch schlimmer, auch Fortgeschrittene und sogar sehr Fortgeschrittene würden NICHT den richtigen Baum finden.

Das ist der Sinn dieser Serie hier, das zu zeigen.

Jetzt ja nicht Geld sparen wollen. Da sind drei Bäume in der engeren Wahl. Sie kosten 150, 300 und 400 Dollar. Wer jetzt den billigsten nimmt, ist wirklich selber schuld. John nahm den für 400. Was soll das jetzt, 100 Dollar sparen? Er wird sich einige hundert bis tausend Stunden mit dem Baum in Zukunft beschäftigen. Wenn die Stunde 30 Dollar wert ist, dann ist die zukünftige Arbeit von 5.000 bis 20.000 Dollar wert!!!

Also das ist er jetzt. John meint, dass er mit einem kleinen Lastwagen wiederkommen sollte. Nix da! Der wird auf der Stelle kleiner gemacht.

Mit einer grossen Heckenschere wird der Baum bis auf eine Höhe von etwa 60 cm gekürzt. Dann werden gleich noch solche Äste herausgeschnitten, die ganz sicher nicht zur Gestaltung gehören.
Man lässt Stumpen stehen, die dann NICHT versorgt werden. Also nix draufschmieren!

Zu Hause angekommen sind Entscheidungen zu treffen. Lässt man den Baum erst einmal eine Vegetationsperiode stehen oder beginnt man sofort mit der Gestaltung?

Es wäre das Beste, den Baum jetzt so stehen zu lassen und ein Jahr später nach dem kräftigen Neuaustrieb daran weiter zu arbeiten.
Aber John hat genau so wenig Geduld wie alle anderen Bonsaigestalter. Es ist ein Gerücht, dass Bonsai für geduldige Leute ist.

Also überlegt er noch, ob der Spätherbst die richtige Jahreszeit für´s Gestalten ist. Bei ihm in Fresno ja. Da ist es so wie in Sizilien. Im Sommer brütend heiss und im Winter kaum jemals Frost. Bei uns wäre das sicher nicht die richtige Jahrezeit. Bei uns müsste man auf jeden Fall bis so etwa Ende März bis Mitte April warten.

Jetzt muss der Stammansatz herausgearbeitet werden.
Dazu muss der Baum aus dem Plastikeimer. Voraussetzung ist, dass der Wurzelballen dicht ist. Das Oberflächensubstrat wird sorgfältig entfernt. Alle kleinen Wurzeln, die nach oben stehen und die nicht gut ausehen werden sofort abgeschnitten.


Jetzt kommt ein ganz wichtiger Abschnitt: Die allermeisten Bonsailiebhaber schneiden jetzt die Krone soweit zurück, wie sie sich die spätere ideale Kronensilhouette vorstellen. Das kann dann recht vielversprechend aussehen. ES IST ABER LAIENHAFT! Ein Profi stellt sich jetzt die ideale Silhouette des zukünftigen Meisterwerkes vor uns schneidet dann bis zur Hälfte davon weg!
Noch einmal: Wenn der zukünftige Durchmesser der Krone 70 cm sein soll, dann wird auf einen momentanen Durchmesser von etwa 30 bis 40 cm zurückgeschnitten. Wenn die zukünftige Höhe des Bonsai etwa 70 cm aufweisen soll, dann wird auf eine momentane Höhe von 30 bis 40 cm zurückgeschnitten. Der Baum sieht dann deutlich schlimmer aus als vorher!
Wenn die Frau das Ergebnis sieht, soll sie sagen ´Das ist ja entsetzlich, vorher sah er viel schöner aus, du hast ihn ruiniert, jetzt sieht er wie ein schlimmer Besen aus´. Dann ist es genau richtig.
Also nochmal: Das ist der häufigste Fehler von Amateurern. Sie schneiden in diesem Stadium nicht genügend weit zurück! Dann arbeiten sie zehn Jahre an ihrem Baum und bringen ihn zu einer Baumbesprechung. Dann erkläre ich ihnen, dass sie den Baum jezt drastisch einkürzen sollen, weil die Krone viel zu breit und hoch ist. Sie sollen die ganze Arbeit von zehn Jahren einfach abschneiden! Ich erkläre ihnen, dass sie das schon vor zehn Jahren hätten machen sollen. Wehgeschrei!
Warum? Weil der Baum durch Zuwachs und Abschneiden weiter entwickelt wird. Der Zuwachs wird dann jeweils so etwa 10 bis 30 Zentimeter betragen. Er wird zurückgeschnitten, bis auf ein bis drei Internodien. Dann kommt im gleichen Jahr noch einmal Zuwachs, der wieder zurückgeschnitten wird. Das geht so zehn Jahre lang. Jedes Jahr wird die Krone so 1 bis 2 cm breiter und höher, weil ja ein bis drei Internodien stehen bleiben. Wenn man mit einem Kronendurchmesser von 70 cm angefangen hat, dann wird der nach zehn Jahren 90 cm oder mehr sein. Die Höhe wird dann statt 70 ebenfalls so ewa 90 cm sein. Aber man wollte ja einen Baum, der nur 70 cm Höhe und Breite hat! Genau! Deshalb muss man auf 30 cm zurückschneiden und sich dann langsam an die ideale Silhouette vortasten. Also los...

Die verbliebenen Äste werden grob gedrahtet. Und so siehts das Ergebnis aus :


Jetzt sollte man den Baum wieder in den Plastikeimer zurückstellen und mindestens eine Vegetationsperiode warten.
Aber Bonsailiebhaber sind nun mal ungeduldig.

Wenn der Baum wirklich gesund war und die weitere gute Pflege gesichert ist, kann man evtl. auch gleich den Wurzelballen verkleinern und den Baum in eine Entwicklungsschale stellen.

Der Hauptstamm und die Substämme sind dick genug. Was fehlt ist nur mehr eine feine Krone. Die wird in der Schale feiner als in einem grossen Kübel.
Das sieht ja gar nicht nach einem Weltklassebonsai aus ?!

Für den Amateur nicht, für mich schon.

Der Baum kann in zehn Jahren in jeder grossen Austellung neben importierten Ahornen bestehen.

Es gibt Material für Weltklassebäume in Baumschulen.