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Die Fragestellung war insgesamt gemein, sie wurde auch manipulativ genannt. Sie unterstellt nämlich als selbstverständlich, dass Bonsai eine Kunstform ist. Ob Bonsai nun Kunst ist oder Kunsthandwerk ist schon eine wichtige Frage. Die Diskussion ist notwendig, meiner Meinung nach.
Erst einmal schließen sich Kunst und Handwerker nicht aus. Kunst besteht immer auch aus Handwerk. Allerdings muss ich (wohl zum Entsetzen der mitlesenden Fundamentalisten ) sagen, dass Kunst auch gute Kunst sein kann, wenn das Handwerk Mängel aufweist. Umgekehrt kann Kunst ganz schlecht sein, obwohl sie handwerklich bestens gestaltet ist. Aber es ist wohl unbestritten, dass Bonsai mindestens Handwerk ist und öfter auch Kunsthandwerk, also geadeltes Handwerk - was Besseres halt.
Bonsai zu machen ist im allgemeinen so wenig oder soviel Kunst wie Bilder zu malen. Ein Kind kann Bilder malen, ein Kind kann Bonsai machen. Aber deshalb ist es noch keine Kunst.
Öfter wird gewähnt, dass manche Bonsai als Kunst sehen wollen, weil sie dadurch erhöht werden, also über dem Handwerker stehen. Das kann wohl manchmal der Fall sein. Aber das ist nun überhaupt nicht wichtig.
Allerdings ist es wichtig, was das Ziel ist und sein darf. Im Handwerker ist das Ziel, etwas zu erstellen,was marktfähig ist. Also einen Massenmarkt oder auch einen Nischenmarkt zu bedienen. Im Handwerker gibt es meist recht strenge Regeln, wie man was macht. Handwerk bedient den Markt mit dem, was der Markt will, also sind die Erlebnisse eher uniform, gleich oder ähnlich aussehend. Abartiges verkauft sich als Handwerk ganz schlecht. Ein handwerklich guter Bonsai muss möglichst schön sein. Nach gängiger Meinung muss er auch möglichst alt wirken - also ein ganz alter schöner kleiner Baum in der Schale. In Bonsai als Handwerk gibt es gut und schlecht, was viele nach den Handwerksregeln gut unterscheiden können. Einem Handwerker kann man nicht vorwerfen, dass er etwas für Geld, für den Markt, für die breite Masse macht; das ist seine Aufgabe
Die Kunst hat die Aufgabe, beim Betrachter, beim Kunstkonsumenten irgend was zu bewegen. Wie die Kunst das macht ist ihr überlassen. Das kann mit Schönheit sein, das kann mit Hässlichkeit sein oder sonst was. Wie bereits erwähnt ist das Beeindrucken mit Schönheit in der Kunst arg verpönt. Das war nicht immer so, muss auch nicht immer so sein. Außerdem unterscheidet sich die Kunst vom Handwerk dadurch, dass der Künstler auf keinen Fall etwas einfach kopieren will. Ein Bonsai soll dann nie wie ein anderer Bonsai aussehen. Einem Künstler vor zu werfen, dass er kopiert, für die breite Masse, für Geld, für Preise arbeitet ist eine Beleidigung. Einem Künstler vor zu werfen, dass er die Kunst verändern will, dass er ein Revolutionär ist, das er keinen Respekt vor der Tradition hat, ist müßig, das ist nämlich seine Aufgabe.
In der Bonsaikunst gibt es auch gut und schlecht. Aber das Problem ist, dass das nicht so einfach zu unterscheiden ist wie beim Handwerk. Wir sehen es ja an dieser Diskussion hier.
Das ist nicht nur bei Bonsai so, sondern auch in der 'wirklichen' Kunst. Es ist dort normal, dass das breite Volk meist überhaupt nichts mit den Werken anfangen kann, die von den 'Fachleuten' als die besten Kunstwerke gesehen werden. Das war übrigens nicht immer so und muss auch nicht immer so sein.
Wer sind nun diese 'Fachleute' ? Das sind die, die im Besitzt es heiligen Grals sind. Das sind die Insider, die Galeristen, die Kritiker, die Museumsdirektoren, die Kunstgelehrten, die Kunstprofessoren, die grossen Sammler, die auch wirklich löhnen, also die , die entscheiden wo's lang geht, also das Kunstestablishment. Was das breite Volk meint ist, in der wirklichen Kunst völlig egal. Das ist kein demokratischer Prozess, sondern ein höchst einseitig elitärer. Wenn eine Million der Meinung sind, dass etwas gar keine Kunst ist oder entsetzlich schlecht und ein einziger Insider meint, dass es sehr wohl Kunst ist, dann gewinnt der Insider.
In der Bonsaikunst sind wir noch nicht so weit. Wenn wir so weit wären, dann hätte eine solche Umfrage bei der breiten Masse überhaupt keinen Sinn. Die kann das nämlich gar nicht beurteilen und ihre Meinung ist völlig egal.
Wer also sind die Insider, die die Qualität von Bonsai beurteilen, wer ist das Bonsaiestablishment? Das sind die, die Bäume zu Ausstellungen zulassen oder eben nicht zu lassen, die Preise vergeben oder eben nicht, die Magazine machen und entscheiden was auf der Titelseite ist und was im Innern und was nicht. Es sind die, die Bäume importieren und entsprechend auswählen oder eben nicht auswählen. Das sind bekannte Gestalter, die da mehr oder weniger Einfluss haben. Das sind im beschränkten Maß auch Funktionäre, Bonsaipolitiker, Schiedsrichter und so. Und das sind noch einige andere. Aber es ist nicht das Volk.
Bonsaifundamentalisten müssen per se gegen den Kunstbegriff sein, weil er ihnen den Teppich unter den Füßen weg zieht. Das was sie 'wissen' wird plötzlich relativ. Regeln gelten nur dann, wenn der jeweilige Künstler sie gelten lässt. Also müssen Bonsaifundamentalisten versuchen in den geheiligten Kreis derer ein zu dringen, die darüber entscheiden, was gut ist und alles tun um Bonsai als Kunstform zu vermeiden. Das haben die auch gemacht. Aber das wird immer weniger und irgend wann klärt sich das von selbst.
Kunst ist Geschmackssache. Das wurde hier mehrfach geschrieben. Stimmt. Aber leider kommt es darauf an, wer den Geschmack hat. Es kommt nämlich ausschließlich auf den Geschmack der Insider an. Dazu zählen aber andere. Es ist völlig legitim für jeden, hier und anderswo, einen Bonsai mehr oder weniger oder gar nicht zu mögen. Ihn dann jedoch als mehr oder weniger Kunst oder gar nicht Kunst zu bezeichnen ist eher naiv.
Eine andere Sache ist es, dass viele Bonsai als japanisches Kunsthandwerk verstehen und genau deshalb da eingestiegen sind. Die hören es dann natürlich nicht gerne, wenn das auch wieder relativ ist. Es kann ja auch chinesisches Kunsthandwerk sein, die haben's ja ohnehin erfunden. Es kann aber auch europäisches sein.
NEIN KANN ES NIEMALS! Kann es niemals? Warum? Weil Europäer das NIEMALS wirklich beherrschen KÖNNEN. Aha, und wie war das mit Judo? Und Pingpong, Und Sumoringen und so weiter? Es ist verständlich, dass jemand sauer ist, wenn man ihn seiner Illusionen beraubt. Man ist verstimmt, wenn man spürt, dass Japan kein Leitbild mehr ist. Oder doch? Nun ja, die deutschen Fußballer singen ja auch in der Kabine 'God save the Queen' und bedanken sich innig bei den Briten, dass sie es zulassen, dass deren Sport auch außerhalb der Inseln gespielt werden darf, natürlich nur unter der Leitung eines britischen Schiedsrichters und eines britischen Trainers. So war das, als ich ganz klein war. Ist lange her, hat sich arg geändert.
Für mich persönlich ist die Frage, ob Kunst oder Handwerk oder japanisch oder europäisch oder kosmopolitisch, heute nicht mehr relevant. Wer da vehement auf Handwerk und japanisch besteht, der ist von vorgestern und hat zehn Jahre lang geschlafen. Diese Debatte wurde um das Jahr 2000 vehement geführt. Da gab's noch richtig Krach, dass die Fetzen flogen. Da waren die Fundamentalisten noch in der Mehrheit und an der Macht. Heute wird einer der mit den alten Zöpfen kommt, bloß mehr belächelt.
Zurück zur eigentlichen Frage hier: "welcher Baum ist ein Kunstwerk?" Ich meine beide. Welcher ist das bessere Kunstwerk. Nun, Bonsai ist ganz schlecht als Wettkampfport zu gebrauchen. Die Bäume sind eigentlich nicht gut zu vergleichen. Aber wenn man mich zwingt, dann ist der zweite, der Dreispitzahorn, der bessere. Der erste, rote Ahorn, ist eher Kunsthandwerk aber nicht stereotyp, also immer noch Kunst - etwas kitschig durch die Farbe. Welcher kostet mehr? Auf jeden Fall der zweite. Welchen will ich haben? Unbedingt den zweiten. Den ersten hätte ich zwar auch gerne wieder, aber den kann man öfter mal kaufen oder wieder machen. Der zweite ist einmalig und unwiederbringlich. Ich würde ihm allerdings meinen Stempel aufdrücken wollen. Würde das Bonsaiestablishement auch so urteilen wie ich? Ich habe da meine Zweifel.
Ob so was in Japan anerkannt ist? Ja und nein. Aber einen großen Preis wird der dort nie gewinnen. Dazu ist das Establishment zu fundamentalistisch dort. Denke ich. Genau weiß ich das nicht.
So, jetzt ist so viel geschrieben, dass wirklich jeder etwas findet wo er eine andere oder wenigstens leicht andere Meinung hat. Diskussion hat nämlich nur dann Sinn, wenn man verschiedener Meinung ist.